Dienstag, 19. September 2017
Stolz
Eigentlich, dachte ich heute Morgen, als ich mal wieder früh aufwachte, ein Morgentief hatte und nicht mehr einschlafen konnte, eigentlich müsste ich total stolz auf mich sein. Stolz, dass ich jeden Tag aufstehe und mir etwas anziehe und zu dieser Maßnahme gehe. Stolz, dass ich jeden Tag drei Mahlzeiten esse und mich dusche und guten Tag sage und nicht aufgebe, wie zum Beispiel mein Freund F. es im März diesen Jahres getan hat. Stolz, dass ich mir die Haare kämme und meine dreckige Wäsche wasche und keine Fensterscheiben einwerfe. Die banalsten Dinge sind nicht mehr selbstverständlich, wenn man einmal richtig tief in einer psychischen Erkrankung gesteckt hat. Eigentlich sollte ich eine Krone tragen und mit einem riesigen Schild durch die Gegend laufen auf dem steht "Ich bin die stärkste und mutigste Frau der Welt", ich sollte mir applaudieren und Fanpost schreiben und mich mit Orden dekorieren!
Aber das Schild ist eher Schuld und es gehört zu den Grundpfeilern meiner Erkrankung, dass ich meine eigene Leistung nicht anerkennen kann. Obwohl ich hier mal betonen möchte, dass es tatsächlich nicht leicht ist, gar nichts, einfach atmen und am Leben bleiben ist manchmal Schwerstarbeit, ja.

Heute ist der Todestag von meiner Mutter und alle, die das wissen, fragen mich, wie es mir geht. Ich weiß es nicht. Meine Mutter und ich waren, naja, nicht gerade beste Freundinnen, und ich war zu ihrem Todeszeitpunkt noch zu jung, um so richtig zu begreifen, was das heißt, eine Mutter zu haben, oder auch Mutter zu sein. Es ist auch schon lange her und bringt mich nicht mehr in dem Sinne zum Trauern wie noch vor ein paar Jahren. Aber auffällig ist es doch, dass immer so Mitte September gewisse Symptome sich melden. Ich finde das sehr erschreckend, wie viel Macht das Unbewusste hat. Das meldet sich einfach aus den Tiefen, an die man sowieso kaum noch rankommt, und sagt Hehe, hier ist noch was, aber ich sag dir auch nicht so richtig was, ich sende dir nur irgendwelchen Somatisierungsnonsens und du kannst nicht weg! DAS IST DEIN KÖRPER, AUS DEM KOMMST DU NICHT RAUS, DARAN KANNST DU JETZT NICHTS ÄNDERN, HEHEHEHEHE!
Ich mache jetzt wieder so autogenes Training und Neuroplastizität, wenn es so gut ist wie sein Ruf, dann freue ich mich, wenn nicht, dann hab ich wieder was Neues, um es hier reinzuschreiben.

Dreadpan, du könntest hier auch mal wieder was schreiben. Ich mag diesen Blogsegregatismus nicht.

... link (12 Kommentare)   ... comment


Sonntag, 3. September 2017
Bloggerei
Ich muss schon sagen, ich bin wenig kreativ, seit mich die Krankheit so belagert. Und seit ich verliebt bin erst recht. Da ist nichts mit Liebesgedichteschreiben oder Ideenhaben oder Erzählenwollen, da ist nur so ein stummes Glück und ein schweigendes Lächeln und das war's dann auch schon.
Ich hab früher mal ganz viel geschrieben. Das wissen die meisten Leser hier wohl nicht, aber es ist so. Hauptsächlich Gedichte, aber auch Prosa und - jetzt kommt's - sogar Romane. Aber ich hab irgendwann ein bisschen den Mut verloren, in Anbetracht der Tatsache, dass Verlage nichts veröffentlichen, wovon sie sich kein großes Geschäft versprechen, das nahm ich als Anlass, einfach die Klappe zu halten und andere Hobbies zu haben. Und dann kam meine erste richtig schwere Depression und dann hatte ich irgendwie sowieso keine Ideen mehr und da hab ich's dann gelassen. Ich hatte in meiner Jugend, hähä, sogar ein Blog auf 20six.de! Das hab ich geliebt und mit Heißblut vollgeschrieben! Aber irgendwer hat vor nicht allzu langer Zeit den Server 20six.de runtergenommen, und es gibt jetzt auch keine Möglichkeiten mehr, die ehemaligen Betreiber zu kontaktieren, und jetzt ist alles weg, was ich da je reingeschrieben habe. Das tut mir tatsächlich ein bisschen weh.

Also hier eine kleine Geschichte aus dem Alltag: Ley ist inzwischen in einer Berufs-Wiederfindungs-Diagnostik-Maßnahme und hat dort sehr nette Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Ley ist da ganz fleißig und trotzdem einfach zum Teufel nicht von ihrem Können überzeugt. Die Mitstreiterschaft ist total nett und versucht, sie aufzubauen, aber im Moment ist Ley wieder ein bisschen entmutigt, nach dem Motto: Ich kann nichts - ich will nichts - es gibt sowieso nichts. Is Unsinn, jaja, soll man nicht denken, geht bestimmt auch wieder weg. Ich erzähl das hier auch nur für den Rahmen!
Da ist nämlich dieser eine Mitstreiter, Herr S. Der macht Ley nervös. Der ist so, ja, nett, freundlich und alles, aber auch irgendwie aufdringlich und übergriffig. Der macht immer so Kommentare im Vorbeigehen. Zum Beispiel sitzt Ley auf dem Flur, und plötzlich kommt Herr S. und sagt: "Du hast schlanke Beine!" und geht weiter. Oder er unterhält sich mit Herrn D. und als Ley vorbeigeht, ruft er ganz laut: "Aber diese schlaue Frau da weiß das bestimmt, die fragen wir mal!" Oder er sagt, dass Leys Rock so schön ist oder dass sie wie eine strahlende Elfe aussieht oder oder oder. Normalerweise ein Fall für "Mal drüber sprechen" und dann kommt es hoffentlich nicht mehr vor. Und weil Ley eben gerade nicht das strahlende Selbstbewusstsein ist, hält sie den Schnabel und sagt nichts dazu. Denkt sich womöglich noch, bevor mir überhaupt keiner Komplimente macht, soll es lieber so ein aufdringlicher komischer Typ machen!
Nu also die Frage, Lieber Doktor Sommer, was sagte dazu. Was sagen wir der kleinen HeyLey, die da vor sich hin dümpelt und die Zähne nicht auseinander kriegt und genervt ist? Ist das alles vielleicht auch völlig blöd und überflüssig und sie sollte sich wirklich einfach nur freuen, dass immerhin irgendwer ihr was Nettes sagt? Fragt sich die Redaktion seit Tagen.

... link (13 Kommentare)   ... comment


Donnerstag, 27. Juli 2017
FYI
Liebe Leserschaft,
es gibt mich noch. Ich bin nicht gestorben, oder abgetaucht, oder entführt worden. Und eigentlich hab ich auch nichts Besseres zu tun. Ich hab nur sehr lange nichts gepostet. Ich hab im Untergrund an meiner Stabilität und dem Aufbau meiner Belastbarkeit gearbeitet.
Und ich bin verliebt. Nein, ich muss euch enttäuschen, nicht in Dreadpan. (Das wäre sehr lustig, wenn wir beide so lange nichts geschrieben haben, weil wir zusammengekommen wären, und es uns jetzt total toll ginge und wir einfach kein Depressionsblog mehr unterhalten müssten, weil wir ja einander haben und alles gut ist. Eigentlich wäre das so lustig, dass wir es glatt machen müssten, wir alten Scherzkekse, aber es geht leider nicht. For obvious reasons.) Ich bin verliebt in einen ganz tollen Mann, der mich so annimmt wie ich bin, mit meinen ganzen Macken und Absonderlichkeiten (er sagt immer, für ihn sind es keine. Pfff, was weiß der schon.) und mich in allem, was ich tue, unterstützt. Ich dachte ich meinen letzten zehn Jahren Single-Dasein, so jemanden gäbe es gar nicht.
Das heißt jetzt nicht, dass ich hier nichts mehr schreiben könnte. Meine Depressionen und Ängste und Überempfindlichkeiten hab ich ja trotzdem. Ich kann zwar jetzt so empirisch sagen, dass die Verliebtheit und Zweisamkeit sich positiv darauf auswirkt, aber weggezaubert ist es auch nicht. (Wär auch zu schön.) Ich glaube, ich habe tatsächlich so lange nichts geschrieben, weil es mir ohne Dreadpan keinen Spaß macht und der dem Bloggen ja abgeschworen hat. Ja, schade. Vielleicht erbarmt er sich jetzt mal wieder.

... link (8 Kommentare)   ... comment