Freitag, 30. September 2016
Trostlos
Das Problem mit Zopiclon, so heißen meine Schlaftabletten, ist, dass ich zwar tief schlafe damit, aber depressiv aufwache. Depressiver als nach einer durchschnittlichen Nacht schlechten Schlafes, die mich eher zerschlagen und mit Kopfschmerzen zurücklässt, aber mental mehr oder weniger im neutralen Bereich. Trotzdem ist die morgendliche Stimmung weit entfernt davon, unerträglich zu sein: ich fühl mich gedämpft trostlos und einsam.
Trostlos ist passender als traurig, wehmütig, sehnsüchtig, verzweifelt, verbittert oder leer. Gedämpft, wohl durch Reste von Zopiclon oder dessen Metaboliten, und deshalb kaum schmerzhaft, aber deutlich wahrnehmbar. Vorhin dachte ich kurz „hoffnungslos“, aber das hat zusätzlich zum emotionalen Gehalt noch einen kognitiven, nämlich die Überzeugung es gäbe keine Hoffnung mehr, und diese Überzeugung fehlt mir. Aber nicht zu trösten, das bin ich, wenn auch nur leicht.
Wie geht das? Nur leicht trostlos sein? Ist Tröstbarkeit nicht eine binäre Sache? Entweder ist man oder man ist eben nicht zu trösten, oder? Genauer gesagt, da man ja nicht sicher weiß, ob man zu trösten ist, und es nie sicher wissen kann, da es vielleicht bisher nur immer die falschen Tröstungsversuche gegeben hat, oder falsche Personen zu trösten versuchten, oder man sich auf die falsche Art und Weise zu trösten versucht hat. Doch wenn man trostlos ist, dann ist man sicher, nichts könne einen trösten. In dieser Hinsicht ist „trostlos“ binär und das Trostlosigkeit-Bit hat im Moment bei mir den Wert 1.

Mir fällt gerade auf, dass ich gedanklich äußerst unsauber Trostlosigkeit mit Untröstbarkeit gleichgesetzt habe. Das geht natürlich nicht! Aber ich hab's getan und der kleine unsichtbare Psychoanalytiker, der in meinem Ohr wohnt, verbietet mir, den Fehler einfach unter den Tisch zu kehren! Kerl, wird das aber schnell kompliziert!
Zuerst möchte ich mich aber doch verbessern, der Einfachheit halber. Trostlos, nicht untröstbar, jetzt gerade Trost wünschen und ihn nicht erhalten. Ohne Trost sein, aber nicht ohne Hoffnung auf Trost. In dieser Hinsicht ist es noch eindeutiger eine ganz binäre Sache. Also müsste ich entweder trostlos oder nicht trostlos sein. Und oben habe ich ja sogar geschrieben, ich wäre mir sicher, nichts könne mich trösten und mir einen eindeutigen positiven Wert in Bezug auf das Attribut „nicht zu trösten“ zugeschrieben. („Nicht zu trösten“ statt „untröstlich“, da „untröstlich“ durch den Gebrauch in geheuchelten oder gar ironischen Aussagen leider konnotativ verdorben ist)
Also: ich bin eindeutig trostlos und nicht zu trösten. Aber nur leicht. Die Abstufung kommt dadurch, dass es sich eben nicht in erster Linie um einen kognitiven Zustand sondern um ein Gefühl handelt, und Gefühle sind niemals rein binär. Es fühlt sich halt trotzdem „nicht so schlimm“ an.
Darüber hinaus habe ich wahrscheinlich das Wesen des kognitiven Anteils von „trostlos sein“ unzutreffend beschrieben, weil ich mich von Nebensächlichkeiten wie dem vermeintlichen Konflikt zwischen binärem und analogem Charakter von Emotionen habe ablenken lassen. Denn eigentlich liegt das Kognitive hier nicht so sehr in einer wirklichen Überzeugung als im simplen Auftauchen des Begriffes „Trost“ in meinem Bewusstsein und der Ahnung, dass das etwas sein könnte, was fehlt und vielleicht sogar immer fehlen wird.

Aber das verdammte Gefühl ist eben wichtiger als der scheiß Begriff! Ich bin schon ganz verspannt vom verfickten Analysieren-wollen. Ich kann halt nicht gut plastisch Sachen beschreiben! Kacke!
„Wie fühlt sich das an? Beschreiben Sie mal!“
„Scheiße fühlt sich das an!“ „Können Sie das nicht etwas genauer beschreiben?“
„Ich fühle ein Verlangen nach Tröstung und gleichzeitig Frust, weil diese Tröstung nicht erfolgt, ja weil es wohl niemanden gibt, der mich trösten will oder kann. In dieser Hinsicht fühle ich mich also einsam.“......

Über den Scheiß zu schreiben hat noch nicht mal geholfen. Habe mich bis jetzt mit Film gucken und Abwaschen abgelenkt, aber jetzt doch erstmal ne Tavor eingeworfen. Dauert etwas, bis sie wirkt, werde mich dann etwas hinlegen und danach leicht bedröhnt weiter den Film fucken, bis es Zeit für Zopiclon wird.

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zopiclon macht ganz schön abhängig.
downer ziehen immer irgendwie. egal welche. ich liebe mein tavor, aber nach ein paar tagen bin ich matsch. manhmal genieße ich das dumpfe nichts. aber es behindert mich schon sehr beim arbeiten.

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ja zopi macht süchtig
das schlimme ist, dass einige ärzte es immer noch als nicht süchtig machende alternative zu benzos anpreisen. habe ich allerding nur von ner freundin gehört. mein arzt limitiert sowohl zopiclon als auch lorazepam auf je eine kleine packung pro quartal für mich. eine richtige sucht kannn ich somit nicht entwickeln, habe aber schon mal einfach zwei wochen hintereinander das zeug genommen und dafür danach ganz schön die wand hochgelaufen. ich weiß auch nicht. aber ein paar tage ohne diese angst/nervosität sind schon ganz schön. arbeiten kann ich jedenfalls nicht, wenn ich angst habe, unter lorazepam unter umständen doch. wäre geil, wenn man immer genug uppers und downers da hätte, aber speed verschreiben einem die ärzte ja schon lange nicht mehr und koks kann ich mir nicht leisten. also doch meditation? scheiße!

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soweit ich weiß, lassen sich ängste ganz gut heilen, indem man sie konfrontiert. mein ex (krankenpfleger in der psychiatrie) hat das mit seinen patienten so gemacht. so ganz kleine schritte. einer hatte agoraphobie, da hat er erstmal einen guten tag abgewartet, dann sind sie rausgegangen. einmal bis vor die klinik, einmal bis zur straße, und das nächste mal haben sie versucht, über die straße bis in den park zu kommen. funktioniert, gibt immer mal wieder rückschläge, aber nichtangsthaben lässt sich tatsächlich trainieren.
meine mum bspw. ist mal fast abgenippelt, seither hat sie todesangst und kann nicht schlafen. also nimmt sie seit jahrzehnten downers und kann natürlich trotzdem nicht pennen, weil sie das längst gewohnt ist. sie hat sich nie mit dem trauma auseinandergesetzt. heute ist sie zu faul dazu, meint, wozu sich anstrengen, wenn es auch tabletten gibt. saublöd, wie ich finde.
ich weiß, dass es nicht immer ein trauma gibt, dass ängste auch einfach so da sein können als generalisierte angststörung. da kann man dann vielleicht nicht so weit in die tiefe graben, aber das muss auch gar nicht sein. training ist wichtig, regelmäßig und mit belohnung danach.

meditation kann schon nett sein, aber das problem wird es nicht lösen.

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Guter Kommentar!
Was Phobien angeht, scheint die Konfrontationsmethode tatsächlich gut zu funktionieren. Dass Ihre Mutter sich nicht mit ihrem Trauma auseinandersetzten möchte, kann ich allerdings auch verstehen. Todesangst nochmal nachzuerleben ist sicher keine angenehme Sache. Allerdings, wenn ich an meine Eltern denke, die gefühlt ALLES Unangenehme verdrängen und schon mit vierzig für jede Veränderung "zu alt" waren, dann kann ich Ihre Enttäuschung noch mehr nachvollziehen als die Abwehrhaltung ihrer Mutter. Aber was soll man machen, ändern können wir se sowieso nich, nur ab und zu mal wieder gut zureden und es versuchen vielleicht. Bis man die Hoffnung oder die Geduld oder beides verliert. Ärzte geben älteren Menschen ja auch noch anstandsloser Tabletten. Mein Arzt hat mir, als ich noch jung war, mal gesagt, ich könne damit ja anfangen, wenn ich sechzig bin, jetzt würde er mir aber keine Pillen verschreiben! ;)
Bei mir ist die angst ja generalisiert und ich habe keine spezifischen Phobien, außer vor Spinnen, aber in meiner Ecke von Schöneberg ist mir seit sechzehn Jahren keine große Spinne mehr begegnet. ;)
Dinge, die mir unangenehm sind, vermeide ich oft, aber selbst wenn ich mich damit auseinandersetze, dann habe ich nicht das Gefühl, dass sich durch Regelmäßigkeit irgend etwas wesentliches bessert. Manchmal kann ich mich selbst dafür verantwortlich machen. Manchmal sind die Angstzustände Ergebnisse eigenen obsessiven Fehlverhaltens. Vom Zwang zur Angst also, obwohl keine eigentliche Zwangsstörung vorliegt. Aber ich denke, da ist ein möglicher verhaltenstherapeutischer Ansatzpunkt. Meditation war eher sarkastisch gemeint, da ich einen Yoga Experten kenne, der völlig am Rad dreht und nicht schlafen kann und bei dem Zopiclon bei der Ersteinnahme noch nicht mal gewirkt hat. Voll krass, aber wahr! Wenn ich jetzt generalisieren wollte, würde ich sagen: Da sieht man mal, dass der ganze Eso-Quatsch auch nicht funzt! - aber ich will ja nicht generalisieren ;)

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