Donnerstag, 5. Dezember 2019
Woche
Ich habe die Zähne zusammengebissen
Manchmal sah es aus
wie ein Krampfanfall
und manchmal
wie ein Grinsen.

Manchmal hilft einfach
auch kein eiserner Wille.
Es ist Wasserwoche
und ich
schwimme.

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Freitag, 15. November 2019
X und Y
Bevor ich meine Umschulung angefangen habe, habe ich mich immer gefragt, was das wohl für Leute sind, mit denen ich dann zwei Jahre zusammen im Klassenzimmer sitze.
Inzwischen glaube ich, es gibt zwei Hauptgruppen von Teilnehmern: Einmal die Zweifler, die das alles einfach mal so mitmachen aber nicht genau wissen, ob es ihr Ding ist. Die sind in der Regel skeptisch, aber einigermaßen interessiert.
Und dann gibt es noch die, bei denen immer das Außen an allem Schuld ist. Die setzen sich hin und sagen: "So, meinen alten Beruf kann ich nicht mehr machen und das Arbeitsamt wollte, dass ich diese Maßnahme hier mache und ich will das alles eigentlich nicht, aber ich verlange volle Fürsorge und Unterstützung von allen Seiten."
X und Y zum Beispiel sind so. Sie sitzen in meiner Nähe und beschweren sich den ganzen Tag über alles. Wenn sie eine Klausur schlecht schreiben, sind die Lehrer schuld - schließlich sei es nicht zumutbar, mehrere Klausuren in einer Woche zu schreiben, bei Leuten in ihrem Gesundheitszustand schon gleich gar nicht, man werde ja hier den ganzen Tag nur gegängelt. Wenn sie etwas nicht verstehen, sind natürlich auch die Lehrer schuld. Wenn die Lehrer ihnen Förderunterricht anbieten, keifen sie herum: "Wie oft muss ich Ihnen denn noch sagen, dass ich dienstags zum Sport gehe!" Heute hörte man sie sich gar beschweren, dass es kein W-Lan in der Schule gibt. Wie solle man denn ohne W-Lan sein Leben organisieren! Der Handyempfang im Klassenzimmer sei auch scheiße! Alles scheiße! Deine Elli!
Ihr bester Freund ist bezeichnenderweise ein junger Mann aus der Parallelklasse, der sein Zeugnis vor den Augen der Lehrerin zerrissen hat, weil ihm die Noten darauf ungerecht vorkamen, und der von der Leitung einstweilige Verfügungen gegenüber Mitschülern ausstellen lässt, die er nicht mag. Das mache ich in Zukunft vielleicht auch, wenn mir irgendwelche Leute nicht passen, dann lasse ich mir ein Papier geben, auf dem steht, dass sich diese Leute mir nicht nähern dürfen. Ich weiß auch schon so ungefähr, welche Leute das sein könnten.

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Freitag, 1. November 2019
Nelson Mandela
Heute in der U-Bahn, Zitat des Tages. "Dich selbst klein zu halten dient nicht der Welt." Nelson Mandela.
Das stimmt wohl. Es ist niemandem damit geholfen, wenn man sein Licht unter den Scheffel stellt. Aber manchmal sind es ja auch die äußeren Umstände, die dich klein halten.

Das Experiment "Leben ohne Medikamente" ist schiefgelaufen. Vielleicht war es zu früh zu schnell, vielleicht war es nicht der richtige Zeitpunkt, vielleicht wird nie der richtige Zeitpunkt sein. Ein Diabetiker muss ja auch für den Rest seines Lebens Insulin bekommen. Vielleicht kann auch der richtige Zeitpunkt in dem Leben, das ich gerade führe, nicht kommen. Ich will schließlich die Umschulung schaffen, also muss ich funktionieren. Irgendwie den Alltag hinkriegen, mit 25 Leuten im Großraumbüro-Klassenzimmer sitzen, jeden Tag früh schlafen gehen und früh wieder aufstehen, Mittag essen, Übungen machen, nett lächeln. Da werde ich nicht nebenbei meine sogenannten Talente voll ausleben können, Fremdsprachen lernen, Gedichte schreiben und ein Instrument spielen, auch wenn mich das alles groß machen statt klein halten würde. Da bin ich froh, wenn alles irgendwie erledigt ist und ich nicht zwischendurch verrückt geworden bin und das Alltägliche einfach so vor sich hinplätschert und ruhig ist.
Aber so ein Zitat wie das von Mandela, das gibt mir dann schon zu denken. Wie groß man vielleicht wäre, wenn einen nicht die ganzen Kleinigkeiten und Kleinkariertheiten des Alltags klein halten würden.

Andererseits ist es für jemanden wie mich auch einfach ein gutes Zeichen, wenn er einen normalen Alltag hinkriegt. Das darf man auch nicht vergessen. Es klingt verrückt, aber ich freue mich abends richtig, wenn es einfach ein "normaler Tag" war, weil das heißt, dass es mir einigermaßen gut geht, sonst wäre der Tag nicht normal gelaufen. Heute in der Schule hat eine Mitschülerin sich beschwert, dass ihr Leben so langweilig sei. Ich dachte kurz ja, stimmt, meins auch, aber dann dachte ich auch: Was für ein Glück, dass ich gerade keine anderen Sorgen habe.

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